Menschen 2. Klasse – mitten unter uns

Unterkünfte, die jeder Beschreibung spotten, billiger Lohn für harte Arbeit, mangelhafter Krankenversicherungsschutz, Menschen in Angst, die nicht um ihre Rechte wissen: Wie die Spitze des Eisbergs künden manchmal Zeitungsartikel von der Lage der Arbeitsmigranten aus Rumänien und Bulgarien bei uns.

Der Vorstand des Ev.-luth. Kirchenkreisverbandes im Osnabrücker Land und das Ev.-ref. Moderamen Emsland-Osnabrück hatten sich vorgenommen, einmal genauer hinzuschauen. So luden sie zu ihrer gemeinsamen Konferenz am 11. November auch Daniela Reim und Mariya Krumova nach Osnabrück ein. Die beiden Frauen arbeiten in der „Beratungsstelle für mobile Beschäftigte“, mit einem Bulli fahren sie vor die Schlachthöfe und Industriestandorte in Weser-Ems und bieten den ArbeiterInnen Beratung in der Muttersprache an. „Oft sehe ich richtige Angst in den Augen von Vorarbeitern, wenn die sehen, dass ich die Arbeiter in der Muttersprache ansprechen kann“, so Daniela Reim, die gebürtige Rumänin ist. „In der Heimat haben die Leute die allerbeste Meinung über Deutschland, gehen davon aus, dass hier Recht und Ordnung gelten.“

"Wohnraum": Hier leben fünf rumänische Werksarbeiter  – stets auf Abruf (Foto: NDR)

„Wohnraum“: Hier leben fünf rumänische Werksarbeiter – stets auf Abruf (Foto: NDR)

Vor Ort merken sie dann mit der Zeit, dass sie nicht beim deutschen Unternehmen selbst, sondern am Ende einer Kette von Subunternehmern angestellt sind, die alle vom Lohn etwas einbehalten. „Auch die Unterkunft stellt der Arbeitgeber, zieht die Miete gleich vom Lohn ab, dazu noch allerlei nebulöse Kosten, wie zum Beispiel ‚Hygienemaßnahmen‘ usw. Wer sich über die Unterbringung beschwert, verliert schnell den Arbeitsplatz gleich mit.“

Arbeitsplatz Schlachthof: Kaum noch Arbeiter nach deutschem Tarif (Foto: NDR)

Arbeitsplatz Schlachthof: Kaum noch Arbeiter nach deutschem Tarif (Foto: NDR)

Die harte Arbeit in kalten Räumen, in der Fleischindustrie üblich, zieht Erkrankungen nach sich. Doch wenn die ArbeiterInnen krank werden, stellen sie fest, dass die Krankenversicherung für sie in Bulgarien abgeschlossen wurde – und für Arztkosten in Deutschland nicht aufkommt. Pastor Tuschling aus Osnabrück erinnerte daran, dass die „Kette von Subunternehmern“ die Grenze zum Menschenhandel verschwimmen lässt – und genauso wie für die Billigarbeit auch für die Prostitution „frische Menschenware“ heranschafft. Ein Problem im Großraum Osnabrück.

„Hier ist richtig viel zu tun – es sind unmögliche Zustände. Aber das weiß in der Öffentlichkeit kaum jemand“, fasst die bulgarische Beraterin Mariya Krumova zusammen. „Es wäre ein erster Schritt, wenn Sie diese Probleme in Ihren Gemeinden bekannt machen würden“, richtete sie sich an die evangelischen Regionalvorstände.

Superintendent Loos nahm die Anregung auf: „Ich bin erschüttert. Wir haben heute ein Phänomen zur Kenntnis genommen, das uns noch viel zu unbekannt ist – wir als Kirche müssen uns damit mehr beschäftigen.“ Und Präses Ilse Landwehr nahm in Aussicht, dass die reformierte Bezirkssynode sich baldmöglichst mit dem Thema befassen werde.