Monatsandacht für April

„Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“ (Matthäus 27,54)

Liebe Gemeinde,

Golgatha, die Richtstatt vor den Toren Jerusalems. Hier stehen die Kreuze. Hier wird täglich gestorben, manchmal sogar stündlich. Auf Golgatha sterben die Todeskandidaten, im Namen des Imperiums sind sie zum Tode verurteilt worden. Wegen Mordes und Gewaltverbrechen, aber auch politischer Verbrechen: Aufruhr, Terror, staatsfeindlicher Bestrebungen. Die Urteilsbegründung wird in kurzen Stichworten am Kreuz bekanntgegeben.

Golgatha: Hier arbeiten Hartgesottene: Henker, die die Todgeweihten ordentlich an den Holzbalken heften. Sie zurren sie fest, dass sich nichts lockern kann in den Stunden des Todeskampfes. Profis des Todes, die ihr Handwerk verstehen. Und die Henkershelfer, die die Kreuze aufrichten. Und nachher die Toten wieder herabnehmen. Ein kleiner Trupp Soldaten ist auch da, der alles beaufsichtigt. Tag für Tag. Die Soldaten müssen die Exekutionen überwachen. Sie stellen sicher, dass alles ordentlich zugeht auf Golgatha, der Richtstatt.

Diesmal ist es Freitag. Die letzten Hinrichtungen sind durch. Die Wochenendpause kann beginnen. Sogar für länger. Ein Zugeständnis des Imperiums an die Provinz Judäa: Es sind Hinrichtungsferien – das Passahfest naht.

Der Hauptmann des Golgathakommandos hat die Hinrichtung überwacht. Eine von Hunderten von Hinrichtungen, die er überwacht hat. Die Soldaten freuen sich auf die Pause von diesem schmutzigen Handwerk. Freuen sich aufs Würfelspiel und ein paar Becher italienischen Weines. Falls nicht wieder Sonderalarm sein wird wegen der dauernden Terrorgefahr in diesen Breiten.

Der Hauptmann wischt sich Staub und Schweiß von der Stirn. Er wird Berichte schreiben müssen. Urteile vollstreckt, um soundsoviel Uhr usw.

Diese letzte Hinrichtung hat ihn stutzig gemacht. Wieder hat es einen religiösen Wirrkopf getroffen… Was gehen mich diese selbsternannten judäischen Propheten an?, denkt er sonst. Was für ein Problem haben die bloß mit der römischen Herrschaft – die hier Frieden und Fortschritt garantiert? Auch für ihre komische Religion. Oft denkt er: Hätten sie die Klappe gehalten, würden sie hier nicht hängen, sondern bei ihrer Familie im Garten Unkraut zupfen.

Aber dieser letzte Hingerichtete… war irgendwie anders. Hat keine religiösen Flüche ausgestoßen, auch nicht den Helden gespielt, nicht mal, als wieder die Spötter kamen… Der hat noch mit letzter Kraft friedlich geredet.

Dieses Verhalten hat ihn berührt – wann ist das das letzte Mal vorgekommen in seinem rauen Leben, dass ihn etwas berührt hat? Und das hier, an der Richtstatt.

Doch nun ist auch dieser besondere Mann tot, wie sie alle zuvor. Der Hauptmann weist sein Kommando an, ihm nicht die Knochen zu brechen, nicht nötig. Er seufzt: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!

Was später aus dem Hauptmann geworden ist, wissen wir nicht. Er taucht in keinem Bericht über die spätere Urgemeinde auf. Wahrscheinlich wird er weiter sein Handwerk getan haben.

Aber damals, an jenem Freitag, ist er – so Matthäus – zum ersten Zeugen geworden. In diesem Moment, an der Richtstatt. Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!

Wir bekennen es nach Ostern: Christus ist auferstanden!

 

Ihr Pastor Steffen Tuschling