Ein Ort zum Teilen: Sharehaus Friedenskirche

In diesem Herbst 2021 war es genau vor 70 Jahren, als die im Krieg zerstörte Friedenskirche wieder fertiggestellt werden konnte. 1951 war der 2. Weltkrieg gerade erst vorbei. Aber es gab zur Wiedereinweihung am 1. Advent 1951 ein Glückwunschtelegramm der niederländischen Königin. Man hatte nicht vergessen, dass 1943/44 holländische Zwangsarbeiter in der Friedenskirche eine eigene Gemeinde bilden konnten.

Die Friedenskirche hat viel Wandel erlebt: Von 1908 bis 1926 bestand sie nur aus einem größeren Raum für Gruppen und Konfirmanden. Von 1926 bis 2008 war sie eine der zuletzt fünf Bezirkskirchen unserer Gemeinde.

Mit der Umwandlung in die Jugendkirche 2008 wurde etwas bis dahin völlig Neues ausprobiert: eine Kirche nur für die Jugendarbeit! Nach schwungvollen Anfangsjahren mit Herbert Sperber zeigte sich im Laufe der 2010er Jahre, dass die allgemeine Entkirchlichung sich als erstes massiv auf die Jugend auswirkt. Gerade einmal die Hälfte aller Deutschen sind heute Kirchenmitglieder. In einer aktuellen Umfrage gaben nur noch 22% aller Jugendlichen an, irgendwie „religiös“ zu sein. Christliche Jugendarbeit ist heute bereits dort, wohin sich Kirche insgesamt bewegt: Aus der Mitte an den Rand der Gesellschaft.

Nachdem 2015 Philipp Eifler Jugendreferent wurde, übernahm die Landeskirche verstärkt Verantwortung für die Jugendkirche, die sie als landeskirchlicher „Leuchtturm“ gewürdigt hat. Neben der TEN-SING-Arbeit kamen Angebote der Landeskirche und unseres Synodalverbands wie die Teamercard, Ferienaktionen oder die Juleica hinzu. Auch die Konfirmandenarbeit unserer Gemeinde hat sich zuletzt stärker in die Friedenskirche als kreativer Ort verlagert.

Und noch andere Akteure entdeckten die Friedenskirche als Ort für sich: Seit 2016 feiert die damals frisch gegründete Freie evangelische Gemeinde Osnabrück (FeG) hier ihre Gottesdienste und entwickelt mit der Jugendkirche und unserer Gemeinde viele gemeinsame Angebote im Projekt:Friedenskirche. Theatergruppen, das Institut für Musik, die städtische Quartiersarbeit und ein Chor sind heute regelmäßige Nutzer des Gebäudes. Und die Friedenskirche dient als Treffpunkt zweier Vereine für Menschen afrikanischer Herkunft.

All diese Akteure teilen sich nicht nur das Gebäude, sie sorgen mit ihren Beiträgen auch dafür, dass wir als Ev.-reformierte Gemeinde die Friedenskirche überhaupt halten können. Vor allem durch die Zuschüsse bzw. Mieten von Landeskirche und FeG können wir die laufenden Betriebskosten inzwischen fast gänzlich decken.

In den letzten Jahren war aber nie ganz klar, wohin die Reise der Friedenskirche geht: Hält die Landeskirche an der Jugendkirche fest? Welche Vorstellung haben wir als Gemeinde für die Friedenskirche? Bleiben die FeG und die anderen Mieter? Mit dieser Unklarheit wuchs der Sanierungsstau. Es braucht z.B. eine neue Heizung und die Toiletten eine Renovierung.

Die letzten Jahre haben gezeigt: Es macht nicht nur wirtschaftlich Sinn, das Gebäude zu teilen. Sondern es entstehen dadurch Kontakte und neue Gemeinschaft: Viele Menschen, die sonst kaum eine Kirche betreten würden, fühlen sich hier inzwischen zuhause. Kirche dockt hier in allen Altersschichten an Milieus an, die sie traditionell selten oder nie erreicht.

Aus diesen Erfahrungen ist unter Federführung von Philipp Eifler in gemeinsamen Beratungen von Landeskirche, Synodalverband, unserer Gemeinde, dem Förderverein der Jugendkirche sowie der FeG ein Zukunftskonzept für die Friedenskirche entstanden, das das Teilen zum Prinzip macht: Die Jugendkirche soll zukünftig ein „Sharehaus“ sein: ein Haus des Teilens.

Das Gebäude verbleibt im Besitz unserer Gemeinde. Es gibt ein gemeinsames Leitbild für alle, die das Gebäude nutzen (s. Kasten). Bei größeren Anschaffungen, notwendigen Bau- und Sanierungsmaßnahmen und gemeinsamen Veranstaltungen stimmen sich die fünf Teilhaber ab, die auch den von uns als Gemeinde weiter verantworteten Haushalt für die Friedenskirche abstimmen und diesen gemeinsam finanzieren.

Unser Kirchenrat hat sich intensiv mit diesem Konzept befasst und es einmütig befürwortet. Auch der Förderverein Jugendkirche, unser Synodalverband, die FeG und vor allem die Landeskirche als Träger der Jugendkirche haben das Konzept begrüßt. Letzteres ist insofern wichtig, als dass damit auch die Perspektive gegeben ist: Die Landeskirche hält an der Jugendkirche fest und beteiligt sich finanziell an notwendigen Sanierungsmaßnahmen.

Mit dem Sharehaus Friedenskirche ist nicht nur ein Weg beschritten, wie wir als Gemeinde das Gebäude auch in den kommenden Jahren überhaupt finanzieren, es sanieren und nutzen können. Wir können mit diesem Konzept vielleicht auch etwas für die Zukunft Entscheidendes lernen: In einer sich rasant entkirchlichenden Gesellschaft kleinere Brötchen zu backen, aber diese Brötchen an einen Tisch zu bringen, zu dem weitere Teilhaber ihre Gaben beisteuern und ein reich gedeckter Tisch für viele entsteht.

Unsere Hoffnung ist, dass wir damit zum hundertjährigen Jubiläum der Friedenskirche im Jahr 2026 mit vielen anderen in der Friedenskirche auf deren Erhalt und Zukunftssicherung anstoßen können.

 

Leibild: Sharehaus Friedenskirche – Räume für Jugend, Glaube und Kultur

Das Sharehaus Friedenskirche ist Begegnungsfläche für Menschen innerhalb und außerhalb von Kirche. Gestaltet werden diese Begegnungsflächen von einer Trägergemeinschaft, die sich sowohl die Räume der Friedenskirche als auch ein gemeinsames Sharehaus Leitbild teilt:

Die Trägergemeinschaft gestaltet und fördert Jugend- und Bildungsarbeit, neue Formen von Kirche sowie kreative und kulturelle Angebote.

Das Sharehaus Friedenskirche steht darüber hinaus Gästen (Gruppen, Initiativen, Veranstaltern, Vereinen) zur Verfügung, die im Sinne des Sharehaus Leitbildes, Räume für die Durchführung regelmäßiger oder punktueller Angebote nutzen möchten.    

Das Sharehaus Friedenskirche ist somit ein Ort an dem:

  • Werte für ein respektvolles und nachhaltiges gesellschaftliches Miteinander eingeübt und gelebt werden.
  • Erfahrungen des christlichen Glaubens ökumenisch und alltagsnah gesammelt und geteilt werden.
  • Menschen ganzheitlich durch Kreativität, Kultur, Glaube und Seelsorge gestärkt werden.