Monatsandacht für Februar 2015
„Ich schäme mich des Evangeliums nicht: es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt.“ (Römerbrief 1,16)
Liebe Gemeinde,
oft denke ich, diese Worte sind direkt an mich, direkt an uns gerichtet! – Freilich, als Paulus nach Rom schreibt, da ist das noch die Kaiserstadt, Hauptstadt des heidnischen Weltreiches. Und in dieser – schon damals! – Millionenstadt sind die Juden eine kleine Minderheit, und zwischen denen die Christen eine noch kleinerer.
Zwischen diesem Moment und unserer Zeit liegen fast 2000 Jahre Kirche. Verbunden mit dem Aufstieg des Christentums zur Führungsmacht in Rom. Auch zur Führungsmacht in Deutschland. Und dem späteren Abstieg wieder zur Minderheit.
Ganz entscheidend dazu geführt hat ein anderer Abstieg: der Abstieg in die Unglaubwürdigkeit. Was sollte den rechtlosen Arbeitern vor 100 Jahren ein Evangelium denn wert sein, auf das sich die Fabrikbesitzer beriefen? Was sollte ein Evangelium wert sein, dessentwegen ein katholisches Mädchen keinen evangelischen Jungen lieben durfte (das erzählen alte Ehepaare mir heute noch)? In dessen Namen Eigeninteressen aller Art durchgesetzt wurden, nicht zuletzt auch eine morsche Staatsordnung aufrechterhalten… Das, auch das alles nannte man „christliches Abendland“. Und mit den Scherben dieses Erbes stehen wir jetzt da.
Und doch: Ich schäme mich des Evangeliums nicht. Heute können wir die Minderheitenerfahrung des Paulus wieder verstehen. In der „Glaubwürdigkeitslücke“ die wir geerbt haben, das Evangelium wieder hören. Nicht als „hätten“ wir es, wie einen Besitz. Sondern als käme es auf uns zu.
Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben.
Christus unseren Mitmenschen bekannt machen, wie wir ihnen einen Menschen vorstellen, der uns das Leben gerettet hat. Wenn wir dem nach einiger Zeit wieder begegnen würden, dann würden wir ihn ganz sicher voller Freude begrüßen, ihn unseren Freunden vorstellen und von der Rettung erzählen. Wir würden uns seiner nicht schämen. So ist es auch mit dem Menschen, durch den der Glanz Gottes wieder in unsere verschattete Welt kam: Christus, auf dessen Antlitz Gottes Gerechtigkeit leuchtet. Seiner brauchen wir uns nicht zu schämen.
Herzlich, Ihr Pastor Steffen Tuschling
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